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Pressemeldung

Nr. 26 / 2023

28. April 2023 : Untergraben finanzielle Anreize langfristig die Motivation zum Umweltschutz?

Wer den eigenen Wald nicht abholzt oder aufforstet, könnte dafür Geld bekommen. Solche Zahlungen für sogenannte Ökosystemleistungen fördern den Schutz von Wäldern weltweit. Wie sich solche Anreize auf das Umweltbewusstsein auswirken, wurde jetzt in einer Studie unter Leitung von Dr. Tobias Vorlaufer, Umweltökonom an der Universität Osnabrück, erforscht.

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© Dr. Tobias Vorlaufer

Die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen ist ein Hauptgrund für die Entwaldung in der Projektregion im Westen Ugandas

Um den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen, ist Umweltschutz wichtiger denn je. Dabei spielt der Erhalt von Wäldern eine zentrale Rolle. Eine Möglichkeit, den Schutz von Wäldern weltweit zu fördern, sind Zahlungen für sogenannte Ökosystemleistungen (auch payments for ecosystem services, kurz PES genannt). Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer erhalten Geld dafür, ihre Wälder nicht abzuholzen oder sogar aufzuforsten. Kritikerinnen und Kritiker befürchten negative Folgen: Da Geldleistungen einen äußeren Anreiz bieten, könnten sie umweltbewusste Überzeugungen verdrängen. Fallen die Zahlungen dann irgendwann weg, bliebe auch die Eigeninitiative aus. Langfristig könnten solche finanziellen Anreize also sogar kontraproduktiv sein. Wie sich Zahlungen für Ökosystemleistungen tatsächlich auswirken, wurde in einer Studie der Universität Osnabrück unter Leitung von Umweltökonom Dr. Tobias Vorlaufer erforscht. Die Ergebnisse der Studie erscheinen jetzt im Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), eine der renommiertesten wissenschaftlichen Fachzeitschriften der Welt.

In einer breit angelegten Studie konnte das Team mit über 750 Landbesitzerinnen und Landbesitzern in West Uganda sprechen und deren Umweltverhalten erforschen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass kurzfristige finanzielle Anreize die Motivation zum Waldschutz nicht untergraben – und das auch dann nicht, wenn die Zahlungen bereits länger weggefallen sind", sagt Dr. Tobias Vorlaufer, Hauptautor der Studie. "Somit finden wir keine Anhaltspunkte für die häufig geäußerte Befürchtung, dass finanzielle Zahlungen langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten."
Entwaldung ist eine der Hauptursachen für Treibhausgasemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt. Um dem entgegenzuwirken, setzen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen weltweit auf sogenannte Zahlungen für Ökosystemleistungen (PES). Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer werden so für den Schutz ihrer Wälder entlohnt. PES stellen daher eine zusätzliche Einkommensquelle dar, so dass die Attraktivität alternativer Landnutzung und die damit einhergehenden Entwaldung verringert wird.

Allerdings gibt es auch Kritik an diesem Ansatz, da monetäre Anreize möglicherweise die Motivation für den Umweltschutz langfristig untergraben könnten. Solche Verdrängungseffekte wurden in der verhaltensökonomischen und psychologischen Forschung bereits für diverse Verhaltensbereiche diskutiert und beobachtet. Björn Vollan, Professor für Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen von der Philipps-Universität Marburg und Mitautor der Studie, äußert sich dazu: „Ein solcher Verdrängungseffekt kann dazu führen, dass wirtschaftliche Anreize weniger wirksam und im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv sind, insbesondere sobald Zahlungen eingestellt werden.“

Die für die Studie befragten Landbesitzerinnen und Landbesitzer hatten für zwei Jahre Zahlungen dafür erhalten, die von ihnen genutzten Waldflächen nicht abzuholzen oder sogar neu aufzuforsten. Innerhalb dieses Zeitraums ging die Abholzung um die Hälfte zurück. Danach wurden die Zahlungen eingestellt. Jetzt, sechs Jahre später, hat das Team um Prof. Dr. Engel und Dr. Vorlaufer das Umweltverhalten der Landbesitzerinnen und Landbesitzer anhand von Umfragen und ökonomischen Experimenten untersucht. Die Forscherinnen und Forscher konnten nachweisen, dass die befürchteten negativen Folgen ausblieben: Landbesitzerinnen und Landbesitzer die Geldanreize erhalten hatten, verhielten sich genauso umweltbewusst wie die Kontrollgruppe, zeigten das gleiche Niveau an Eigeninitiative und waren ebenso von den Vorteilen des Waldschutzes überzeugt. „Diese positiven Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung. Wir konnten zeigen, dass ökonomische Anreizinstrumente die Bereitschaft von Landbesitzerinnen und Landbesitzern, sich am Naturschutz zu beteiligen, nicht negativ beeinflussen und somit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität und des Klimas leisten können“, so Studienautorin Prof. Dr. Stefanie Engel.

Die Studie leistet damit Pionierarbeit auf dem Gebiet der Verhaltens- und Umweltökonomie, da zum ersten Mal Langzeiteffekte von Geldleistungen für umweltfreundliches Verhalten auf Individualebene und unter realitätsnahen Bedingungen untersucht werden konnten.
Die Ergebnisse der Studie finden sich unter: www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2215465120.

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Dr. Tobias Vorlaufer
Postdoctoral Researcher, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Tel.: +49  (0) 33432 82 - 417 
tobias.vorlaufer@zalf.de